Ernährung & Psyche: Welches Essen macht glücklich?

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Ernährung & Psyche: Welches Essen macht glücklich?

Bei Liebeskummer greift man zur Schoggi und bei Stress kriegen einige kaum noch was runter. Doch wie genau beeinflusst eigentlich unsere Ernährung unsere Psyche? Gibt es Essen, das glücklich macht? Nachgefragt bei Psychiater Dr. Bastian Willenborg.

Dr. Bastian Willenborg: zur Person

Unser Interviewpartner Dr. Bastian Willenborg ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Bei seinen Patientinnen und Patienten setzt er sehr auf eine bewusste Ernährung und bringt das auch im Klinikalltag mit ein.

Bastian, manchmal komme ich nach Hause und muss erst mal von meinem "Notfallkäse" naschen oder auch Schoggi, weil ich das Gefühl habe, das macht mich glücklich. Ist das wahr – können Käse oder Schoggi glücklich machen?

Es gibt bestimmte Nahrungsmittel, Schokolade gehört dazu, die die Stressachsen runterfahren lassen – "Comfort Food". Für viele ist es Schokolade, für andere Chips, Pommes und Currywurst …

Also dieser "Comfort Food" kann wirklich einen Einfluss auf die Psyche haben?

Das Doofe ist, dass es nur kurzfristig ganz gut hilft. Wenn man jeden Tag diverse Schokoriegel oder Ähnliches zu sich nimmt, erhöht sich mit den Risikofaktoren Typ-2-Diabetes, Übergewicht etc. auch das Risiko für psychische Erkrankungen. Ist also alles eine Frage des Masses.

Warum haben denn Gefühle Einfluss auf unser Essverhalten oder ist es umgekehrt und unser Essen hat Einfluss auf unsere Gefühle?

Vermutlich beides. Essen ist erst mal ein total guter emotionsregulatorischer Faktor. Schokolade macht bestimmte Menschen z. B. ruhiger. Oder andersherum werden bestimmte Menschen ruhiger, wenn sie nichts essen. Jeder kennt doch diese beiden Typen, die, die z. B. vor Prüfungen zunehmen, und die, die abnehmen.

Stimmt. Noch heute esse ich weniger, wenn ich sehr nervös und gestresst bin. Immer vor grossen Auftritten habe ich keinen Hunger, das schlägt mir komplett auf den Magen.

Dein Hungergefühl hilft dir wahrscheinlich dabei, dass du weniger aufgeregt bist. Die Alternative wäre, dass du etwas essen würdest und dann evtl. viel aufgeregter wärst und nicht so gut performen könntest bei den Auftritten.

Es gibt also einen grossen Zusammenhang zwischen Gefühl und Essverhalten. Warum denn genau? Das habe ich noch nicht verstanden.

100% weiss man das nicht. Da gibt es so unterschiedliche psychologische Theorien dazu. Und es ist vor allem die der Funktionalität – das hat mit Ablenkung zu tun. Wenn ich mich mit dem Geschmack von Schokolade ablenke oder im Worst Case mit Völlegefühl, da ist erst mal nicht viel mit Stress im Hintergrund, dann bin ich damit beschäftigt. Das Gleiche gilt, wenn ich wenig esse und mich mit einem Hungergefühl ablenke.

Man hört ja immer wieder: Eine ausgewogene Ernährung sei der Schlüssel. Wie genau definierst du eine "ausgewogene Ernährung"?

An was man sich gut halten kann, ist die Ernährungspyramide. Es gibt eine Basis von Dingen, die man essen soll: Das sind Getreideprodukte, Obst, Gemüse – Beeren sind die Wucht, die sind supergesund. Dann kommen Milchprodukte, Käseprodukte, Fisch - das hängt mit den guten Fetten zusammen, den Omega-3-Fetten. Bei Milch und Milchprodukten sind bis zu drei Portionen am Tag empfohlen. Was klar ist: Man soll mehr Milch trinken und Milchprodukte essen als Fleisch. Üblich ist leider, dass wir zu viel Fleisch essen.

Reicht es denn, nur nach dem Vorbild der Ernährungspyramide zu essen?

Ich würde erst mal sagen: ja. Das bedeutet für die allermeisten weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse, dazu kommt Bewegung. Wenn man dann noch "Superfoods", die besonders günstige Pflanzenstoffe und andere Stoffe enthalten, einbaut, dann macht man eigentlich alles richtig. Walnüsse gehören z. B. dazu.

Essen & Alltag

Ausgewogen essen mit der Ernährungspyramide

Es scheint so einfach zu sein. Warum haben viele Menschen trotzdem Mühe damit, sich gesund zu ernähren?

Weil es doch aufwendiger ist, den Blumenkohl zu kaufen, zu waschen und in den Dampfgarer zu schieben, als sich ne Pizza zu bestellen. Wir sind halt faul. (lacht)

Kann ich mich denn grundsätzlich auf meinen Körper verlassen? Dass, wenn der hungrig ist oder Lust hat auf irgendetwas, dass das dann auch gut ist?

(lacht). Nee, ganz unhinterfragt darf mans nicht. Problem ist: Wir können zu jeder Zeit alles bekommen. Und dein Körper sagt dir dann: "Oh, da gibts was." Wir sind eher darauf trainiert, ein Schutzpolster zu haben für "schlechte Zeiten". Es gibt aber keine schlechten Zeiten mehr. Das heisst, dass wir nicht nur auf unser Gefühl vertrauen können. Das kann man aber trainieren.

Wie ist das denn so mit Gelüsten, z. B. nach Zucker, sollte ich die ignorieren?

Auf alle Fälle. Zucker kann bestimmte Krankheiten mitbedingen, da spielen z. B. Entzündungsprozesse eine Rolle. Und trotzdem ist der Körper drauf geprimed: Zucker ist richtig gut. Das ist ein Suchtding.

Zucker schüttet ja Dopamin aus, oder? Das macht uns ja AUCH glücklich. Ist aber nicht so nachhaltig …

Genau. Macht Kokain auch, würden wir aber auch nicht täglich empfehlen.

Es gibt total viel gefährliches Halbwissen, wenn es um Ernährung geht.

Dr. Bastian Willenborg

(lacht) Stimmt. Welche Art von Essen empfiehlst du, Bastian? Was lässt uns wirklich gut fühlen, ganz konkret?

Ich habe mir die Datenlage noch mal genau angeschaut, denn es gibt total viel gefährliches Halbwissen, wenn es um Ernährung geht. Es gab vor ein paar Jahren eine Studie von einer Arbeitsgruppe aus Australien zu einer Ernährungsumstellung von depressiven Patienten, die sogenannte "ModiMed diet". Im Grossen und Ganzen ist es das, was wir hier mit der "Mediterranen Diät" verbinden würden. Das heisst: viele Vollkornprodukte, viele Ballaststoffe, wenig Einfachzucker, viel Gemüse (eine Tomate am Tag wird empfohlen!) und Obst, Milchprodukte, Nüsse, Hülsenfrüchte, mageres rohes Fleisch, Fisch zweimal die Woche, Eier, auch mehr als in der Ernährungspyramide angegeben, nämlich bis zu sechs Eier pro Woche, und dann hochwertige Öle mit Omega-3-Fetten, mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren, z. B. Olivenöl. Das würde man aus psychiatrischer Sicht empfehlen. Und die Empfehlungen sind ja recht grob, also da findet jeder etwas, was er essen kann. Zusammengefasst: wenig Fleisch, ganz wenig Alkohol, gute Fette, viele Vollkornprodukte. Baumnüsse sind z. B. die Wucht – total günstiges Fettprofil, die sind wirklich gesund.

Was heisst das für mich, soll ich jetzt am besten nur noch die erwähnten Lebensmittel (Baumnüsse, Eier, Milchprodukte etc.) essen?

"Nur noch das" ist immer falsch. Ernährung ist was Langfristiges. Wenn man den Wunsch hat, sich gesund zu ernähren, und z. B. sagt: Ich kaufe mir jetzt kein Weissbrot mehr, sondern nehme Vollkornbrot und achte darauf, dass ich das Joghurt ungesüsst nehme und packe mir Beeren und Walnüsse rein, dann ist das schon mal super. Natürlich darfst du dann trotzdem mal am Wochenende dein Croissant mit Butter und Marmelade essen. Jeden Tag würde ich es halt nicht tun, es ist immer eine Frage der Dosis.

Das ganze Interview im Podcast nachhören

Das war nur ein kleiner Auszug aus dem Interview mit Dr. Bastian Willenborg. Das ganze Interview kannst du im Swissmilk-Podcast nachhören: