Wie wird Glace gemacht? Ich war dabei.
Wie wird Glace gemacht? Ich war dabei.
Blick hinter eisige Kulissen
Mama mia, ist das wieder heiss heute. Man kann es so sagen: Selten habe ich mich mehr auf ein Gewitter gefreut – vor allem Anfang Juli …
Michael Amrein ist am "Schärme" - wie der Berner sagt -, im Trockenen. Im Produktionsbereich der Gelateria di Berna, vis-à-vis der Berner Marzili-Badi. Er kommt mit dem 10-Liter-Milchbeutel um die Ecke und will frisches Gelato Fior di Latte produzieren. Auf der anderen Seite der Glasscheibe drängen sich die Menschen vor der Glacetheke. Diesmal nicht nur, weil sie Gelato schlecken wollen, sondern eben auch, weil soeben der Gewitterregen eingesetzt hat. Wie gesagt: Der Berner nennt es "Schärme".
Bildgalerie: So entsteht Glace.
Im Laboratorio der Gelateria di Berna
Michael Amrein gibt die Milch in den Pasteurisierer. Wie viel Gelato produziert er täglich? Amrein verweist auf das Wetter draussen: "Man kann das nicht generell sagen. Es kommt im Gelato-Geschäft sehr auf den Tag an", beginnt er. Gutes Sommerwetter bedeutet natürlich grosse Nachfrage. Schlechtes Wetter - naja. Der Gewitterregen spült das Sommer-Feeling soeben davon. Es ist jetzt schon klar: Nach dem Glace-Boom der letzten Woche wird zumindest dieser Abend in der Gelateria eher ruhig.
Würziger dank Schweizer Milch
Das Geheimnis des Fior-di-Latte-Eises ist die Schweizer Milch. Hansmartin Amrein, einer der Berner Gelateria-Brüder, sprach im letzten Jahr im "Blick am Abend" über die Feinheiten dieser Sorte. "In den Niederlanden oder in Dänemark ist Fior di Latte anders als bei uns", erzählte er. Die Kühe fressen dort anderes Gras, andere Kräuter. Das wirkt sich auf den Geschmack aus. Weiter führte er aus: "Unsere Milchglace ist von Saison zu Saison leicht unterschiedlich, je nach Weidegras." Das Raufutter, das rund 80% der Nahrung der Schweizer Milchkühe ausmacht, sorgt letztlich für den Unterschied.
Glaceherstellung: Italianità aus der Schweiz
Michael Amrein präsentiert den Maschinenpark, dessen Maschinen alle aus der Region Bergamo stammen. Er zeigt den Homogenisierer, in welchen die Milch als Nächstes kommt und in dem sie übernachten wird. "Er sorgt für eine schöne Textur." Danach geht es in den Mixer.
Unsere Milchglace ist von Saison zu Saison leicht unterschiedlich, je nach Weidegras.
Italienisches Handwerk mit regionalen Zutaten: Das ist das Erfolgsrezept für viele Gelaterie in Schweizer Städten. In den letzten Jahren wurde es richtiggehend zum Trend, solche Glaceläden zu eröffnen. Die Gelateria di Berna war eine der ersten. Gegründet von den drei Brüdern Michael, David und Hansmartin Amrein sowie dessen Partnerin Susanna Moor. Mittlerweile ist mit Andy Käser ein fünfter Teilhaber hinzugekommen - und ein fünfter Standort in Zürich.
Regionale Zutaten lohnen sich.
Gelernt haben sie ihr Handwerk in Verona. So italienisch das Eis einerseits wirken soll, so schweizerisch sollen andererseits die Zutaten sein. Aus Gründen der Frische natürlich. Aber auch wegen der Logistik. "Weil wir wegen des Wetters immer flexibel sein müssen, brauchen wir auch flexible Lieferanten", so Amrein.
Biomilch aus dem Umland
Für die Milch ist dies meist die Molkerei Lanz im solothurnischen Obergerlafingen. Nur rund 30km von Bern entfernt. Dort steht einige Stunden zuvor Gregor Lanz auf dem Dach des Produktionsstandortes.
Die Molkerei ist - wie die Gelateria - ein Familienbetrieb. Die dritte Generation mit Gregor und Olivia Lanz teilt sich die Geschäftsleitung mit Vater Andreas. Der Junior auf dem Dach verrät: "Die Bauern, die uns die Biomilch liefern, kommen allesamt aus dem unmittelbaren Umland. Höchstens so um die zehn Kilometer von hier entfernt." 30km bis Obergerlafingen plus weitere zehn km. Die kurzen Transportwege machen aus dem italienischen Gelato Fior di Latte ein regionales Produkt. Und Regionalität ist von Wert. Für die Molkerei, für die Gelateria, für die Schweizer Konsumenten.
Zurück in der Gelateria
Beim Marzili in Bern hantiert Michael Amrein mittlerweile am "Mantecatore". Das ist die eigentliche Glacemaschine, aus welcher die Eismasse fixfertig herauskommt. Danach muss sie nur noch passend garniert werden und kann zur Theke und aufs Cornetto.
Mozzarella als Namensvetter
Fior di Latte heisst nicht nur das Speiseeis, sondern auch eine spezielle Mozzarella-Sorte. Sie wird explizit nicht aus Büffel-, sondern aus Kuhmilch hergestellt.
Seine wahre Heimat hat dieser Mozzarella in der Region von Neapel, inzwischen wird jedoch auch in der Schweiz Fior-di-Latte-Mozzarella hergestellt.
Fior-di-Latte-Glace: Stolz eines jeden Gelatiere
Der Kübel mit der Fior di Latte wird nicht der beliebteste bei den Kunden sein, das weiss Amrein. "Die Nummer eins ist und bleibt Schokoladenglace." Aber Fior-di-Latte-Glace ist der Stolz eines jeden Gelatiere. Die weisse Milchglace ist eines der pursten Produkte, bei ihr kann man kaum tricksen, die Zutaten - besonders die Schweizer Milch - machen es aus. "Und Fior di Latte ist eine wichtige Grundlage für andere Sorten", sagt Experte Amrein.
Zum Beispiel für die beliebte Stracciatellaglace. Die farbliche und geschmackliche Basis ist die Fior-di-Latte-Glace. Danach werden die Schoggi-Splitter dazugegeben, quasi ins Fior-di-Latte-Eis "reingerissen". Denn "stracciare", so erklärt Amrein, heisst reissen.
Einmal Fior di Latte, bitte.
Auf der anderen Seiten der Glasscheibe, vor der Theke, ist es wie angekündigt ruhig geworden. Nur noch alle paar Minuten kommt ein Kunde oder eine Kundin. Und siehe da: Tatsächlich wird gleich Gelato Fior di Latte verlangt. Lachend gibt Michael Amrein eine Kugel aufs Cornetto.
Tipps - so gelingt Glace auch daheim:
Keine Heimmaschine kriegt die Textur nachhaltig „cremoso“ hin. Deshalb: à la minute auf den Besuch, das Fest oder die spontane Lust produzieren.
Danach höchstens zwei Stunden in den Tiefkühler. Oder aber früh genug zurück in den Kühlschrank legen. Gelato ist am besten gekühlt bei -10 Grad.
Der Saft einer halben Biozitrone (auf einen Liter Fruchtmasse) macht durchwegs jedes Sorbetto intensiver.
Mit Zuckerarten experimentieren: von Ahornsirup über Honig zu einheimischen Rübenzucker.
Falls du Zugang zu Johannisbrotkernmehl hast: Ein Kaffeelöffel pro Liter hilft die „Cremosität“ zu stabilisieren.