Der perfekte Cappuccino-Schaum: So gehts.
Der perfekte Cappuccino-Schaum: So gehts.
Ein Traum aus Schaum
The best coffee is the coffee you like – der beste Kaffee ist der, den du magst. Das ist das Motto von Emi Fukahori. Weil im Mame, ihrem Café in Zürich, zu viel Betrieb ist, empfängt mich die Barista in ihrer Rösterei. Den Fabrik-Co-Working-Space teilt sie sich unter anderem mit einem Schokoladenhersteller. In der Luft liegt jedoch nicht der Duft von Kakao, sondern von frisch gerösteten Kaffeebohnen. In dem grossen Raum stehen mehrere Röst-, Mahl- und Kaffeemaschinen sowie ein grosser, mit Milch gefüllter Kühlschrank.
Denn um diese beiden Komponenten gehts ja beim Cappuccino: Espresso und Milch. Bohne, Röstung, Mahlgrad … die Zubereitung des perfekten Kaffees ist eine Wissenschaft. Ebenso wichtig ist aber auch der Schaum. Und so möchte ich mich mit der Barista heute vor allem über Milch unterhalten. Findet sie das komisch? "Nein", sagt sie. "Offiziell habe ich zwar ein Café, aber eigentlich ist es eher eine Milchbar." Denn ohne Milch gehe es nicht: "Über die Hälfte unserer Kunden bestellt den Kaffee mit Milch – etwa einen Cappuccino, Flat White oder Espresso macchiato."
Vollmilch schäumt am schönsten.
Kein Wunder schaut die Geschäftsfrau bei der Auswahl ganz genau hin: Frische, Geschmack, Fettgehalt – alles wichtige Faktoren. Den Hof ihres Lieferanten hat sie schon mehrmals besucht. "Welche Milch man verwendet, ist sehr wichtig." Sie schwört auf pasteurisierte Bio-Vollmilch. Diese passe geschmacklich am besten und werde beim Schäumen am cremigsten. Da Fett ein wichtiger Geschmacksträger ist, eignet sich Vollmilch mit ihrem Fettgehalt von mindestens 3,5% besser als fettreduzierte oder gar Magermilch. Verträgt jemand keinen Milchzucker, klappt das Schäumen auch mit der laktosefreien Variante – allerdings nicht ganz so gut.
Die Schweizermeisterin zeigts vor.
Emi Fukahori weiss genau, wovon sie spricht. 2020 hat sie sich zum zweiten Mal den Titel als Swiss Barista Champion geholt. Dabei musste sie in 15 Minuten je vier identische Espressi, Cappuccinos und Eigenkreationen zubereiten. Das kann sie aus dem Effeff, wie sie mir gerade zeigt: Ohne das Gespräch zu unterbrechen, brüht sie aus frisch gemahlenen Bohnen den Espresso, dann kümmert sie sich um den Schaum. Die Reihenfolge ist wichtig, weil sich Schaum und Milch schnell wieder voneinander trennen. Die Barista führt das Kännchen mit 150ml Milch zur Schaumdüse und kontrolliert mit dem kleinen Finger auf der Unterseite des Kännchens die Temperatur: Schluss ist dann, wenn es für den Finger an der Kanne zu heiss wird. "Eine Temperatur von 60 bis 65 Grad ist perfekt", erklärt sie. Denn: "Ab 70 Grad verliert die Milch ihre Süsse und Textur." Anfängern empfiehlt sie, allenfalls einen Thermometer zu benutzen.
Umrühren macht den Cappuccino cremiger.
In wenigen Sekunden ist die Milch geschäumt. Ein paar Handgriffe später serviert mir die Schweizermeisterin einen Cappuccino, in dessen glänzenden feinen Schaum ein Herz gezeichnet ist. Ich fühle mich fast schlecht dabei, das Kunstwerk zu zerstören. Doch Emi Fukahori beruhigt mich: "Du musst. Durch das Umrühren mit dem Löffel verbinden sich Kaffee, Milch und Schaum optimal. Zudem hat der Cappuccino jetzt die richtige Trinktemperatur – und nicht erst in fünf Minuten." Manchmal beobachte sie Gäste, die ihren Cappuccino mehrere Minuten lang fotografieren, um das Bild in den sozialen Medien zu teilen. "Das tut mir weh. Ich möchte immer gleich hinrennen und ihnen sagen: So verliert der Kaffee seinen perfekten Geschmack", erzählt Emi.
Nicht stundenlang käffelen
Das sieht auch Giuliano Bartoli so. Der Barista in der Rösterei Kaffee und Bar in Bern sagt, die Italiener machen es richtig: "Da trinkt man den Caffè im Stehen an der Bar. Man käffelet nicht stundenlang." Er gibt Kurse für Profis wie auch für Privatpersonen. Denn die Zubereitung des perfekten Cappuccinos scheint nicht nur mich zu interessieren: "Der Barista ist heute das, was in den 1990ern der Barkeeper war", sagt Giuliano Bartoli, der früher selbst in Bars Drinks mixte. Heute setzt er nicht mehr auf Wodka, sondern auf Milch. Bio-Vollmilch, um genau zu sein – wie seine Berufskollegin in Zürich. Zwar können Geschmack und Fettgehalt je nach Jahreszeit variieren, weil die Kühe nicht immer das gleiche Futter erhalten und mal mehr auf der Weide sind, mal mehr im Stall. "Doch ich verwende lieber Frischmilch als UHT."
Mikrobläschen statt Bauschaum
Ziel sei ein cremiger Schaum, bestehend aus sogenannten Microbubbles – winzige Bläschen, die sich beim Trinken perfekt mit dem Kaffee verbinden. "Diese hohen Schaumkronen, die man oft serviert bekommt, haben nichts mit einem guten Cappuccino zu tun." Der Grund: Sie bestehen hauptsächlich aus Luft und die hält weder die Temperatur noch bindet sie den Kaffeegeschmack. "Natürlich muss man dann Kakao darüberstreuen – sonst schmeckt es ja nach gar nichts", sagt Giuliano Bartoli. Bei einem solchen Cappuccino mit "Bauschaum", wie er es nennt, verbinden sich Schaum und Kaffee nicht. Der Schaum schwimmt einfach obenauf. So löffelt man entweder erst den Schaum und trinkt danach den milchigen Kaffee – oder man trinkt den Kaffee und schlürft zum Schluss den Schaum. "Bereitet man den Cappuccino richtig zu – mit feinporigem Schaum, in die Tasse gegossen, nicht gelöffelt – bleibt er cremig bis zum letzten Schluck", erklärt der Profi.
Hohe Schaumkronen haben nichts mit einem guten Cappuccino zu tun.
Hauptsache zufrieden
Emi Fukahori und Giuliano Bartoli setzen für den perfekten Cappuccino auf Vollmilch. Sie servieren aber auch Kaffeegetränke mit Drinks aus Hafer, Mandeln oder Sojabohnen. "Über den Geschmack muss jeder selber entscheiden", sagt Giuliano Bartoli. Im Gegensatz zur Kuhmilch passen pflanzliche Drinks aber nicht zu jeder Sorte Kaffee. Zudem: Aufgrund der ganz anderen Zusammensetzung gelingt der Schaum mit diesen Produkten weniger gut. Beide Baristas sind sich aber einig: Am Ende muss der Gast zufrieden sein.
Denn der beste Kaffee ist der, den man selber mag.
Zucker und Guetzli dazu? Das sagen die Baristas:
Den Kaffee zuckern …
sollte man nach Meinung der Experten nicht. "Wenn, dann aber mit weissem Zucker", sagt Emi Fukahori. Denn brauner Zucker habe einen Eigengeschmack, der nicht zum Kaffee passe.
Ein Gläschen Wasser zum Cappuccino …
ist gastfreundlich. Ob man es vor oder nach dem Kaffee trinken soll, darüber scheiden sich aber die Geister. Giuliano Bartoli sagt: "Ist der Kaffee gut, trinkt man das Wasser vorher. Ist er schlecht, trinkt man das Wasser nachher – um den Geschmack wegzuspülen."
Das Gipfeli reintunken …
ist eine typisch schweizerische Angewohnheit. Emi Fukahori kann damit nicht viel anfangen. "Aber hey: jeder, wie er möchte!"
Ein Guetzli oder Schöggeli erwarten …
ist nicht nötig. "Denn eigentlich steht der Kaffee für sich", sagt Giuliano Bartoli. Wenn, dann aber etwas, das zum Kaffee passt: Zu einer dunklen Röstung passt zum Beispiel etwas Nussiges oder Schokoladiges. Und zu einem fruchtigen Kaffee – genau: etwas Fruchtiges.
Die Tasse auf der Kaffeemaschine vorwärmen …
ist eine gute Idee, gerade an kalten Tagen. Aber richtigherum, sodass der Boden gewärmt wird. "Stellt man die Tassen verkehrtherum auf die Maschine, wird der Rand zu heiss, der Rest der Tasse bleibt aber kalt", warnt Giuliano Bartoli.
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