"Die Umstellung auf Bio hat sich gelohnt"
"Die Umstellung auf Bio hat sich gelohnt"
Hofgeschichten
Heute sind wir zu Besuch auf der Riverfarm. Das Landwirten-Paar aus Fahrni bei Thun, das den Fribourger Milchverarbeiter "Cremo" beliefert, bewirtschaftet den Hof nach den Richtlinien von Bio Suisse. Erfahre mehr zum Label.
Kälbli und Mutter – ein ungewohntes Bild
Wilma und Wanda gleichen sich aufs Haar. Einträchtig stehen sie beieinander, das Kälbli und die Mutter: ein Herz und eine Seele. Diese Nähe ist für einen Milchviehbetrieb unüblich. Meist werden Kälber und Kühe sehr früh voneinander getrennt. Nicht so auf der Riverfarm im beschaulichen Fahrni bei Thun. "Wir wollen unsere Milch unter möglichst natürlichen Bedingungen produzieren", sagen Bäuerin Esther und Bauer Tobias Schneiter. Das gelingt der 31-Jährigen und dem 30-Jährigen sehr gut. Ganz ohne Kompromisse geht es allerdings nicht; dazu später.
Im Sommer auf der Alp "Pfidertschegg"
Seit vier Jahren ist die Riverfarm, idyllisch zwischen Dorfbach und Niesen gelegen, offiziell ein Biobetrieb: Die Schneiters arbeiten nach dem Bio-Suisse-Standard. Dabei setzt das junge Paar auf 0% Kraftfutter. "Unser Swiss Fleckvieh bekommt ausschliesslich Gras, Heu und Silage zu fressen", sagt Tobias, der den Hof vor sieben Jahren von seinem Vater übernommen hat. Im Sommer weiden die Kühe, Rinder und Kälber der Schneiters auf der Alp "Pfidertschegg" auf 1400 Metern über Meer und ernähren sich von mineralreichen Gräsern und Kräutern. Im Winter fressen die Tiere neben Heu Grassilo – konserviertes Gras –, das Esther und Tobias selber produzieren.
Unser Swiss Fleckvieh bekommt ausschliesslich Gras, Heu und Silage zu fressen.
Kühe so gesund wie nie
Die Berner Oberländer tun mehr, als Bio Suisse verlangt: Bis 2021 waren auf Milchviehhöfen mit der Knospe bis zu 10% Kraftfutter erlaubt – es gilt das Bundesprogramm für eine Graslandbasierte Milch- und Fleischwirtschaft (kurz: GMF). Seit 2022 beschränkt Bio Suisse den Höchstanteil auf 5%. Der Schneitersche Minimalismus lohnt sich: "Unsere Kühe sind so gesund wie nie", sagt Esther. "Sie sind weniger anfällig für Klauenkrankheiten oder Fruchtbarkeitsprobleme." Auch finanziell wirkt sich die rein grüne Ernährung positiv aus: "Wir geben weniger Geld für Tierarzt und Futter aus."
Laufstall mit nur drei Aussenwänden
Ebenso zentral wie die Fütterung ist für Bio-Suisse-Betriebe die Haltung: Das Tierwohlprogramm RAUS (Regelmässiger Auslauf im Freien) ist Pflicht. Auch hier geht die Riverfarm weiter als vorgeschrieben: Die 28 Kühe, 30 Rinder und 15 Kälber dürfen täglich hinaus auf die Weide oder in den Laufhof. Wenn sie denn hinauswollen. "Es gibt nämlich auch wasserscheue Kühe, die sich nur bei trockenem Wetter aus dem Stall wagen", amüsieren sich die Schneiters. Zusätzlich betreiben Esther und Tobias BTS (Besonders Tierfreundliche Stallhaltung): 2017 haben sie einen Laufstall gebaut – mit drei statt vier Aussenwänden. "Kühe mögen es kühl", erklärt Esther, "minus 20 Grad sind für sie angenehmer als plus 20."
Wenn es um Leben und Tod geht.
"Im Laufstall gilt das Faustrecht", sagt Tobias. Deshalb enthornt er seine Tiere – höchstpersönlich. "Ich mache es gerne selber, denn mit meiner Methode kann ich sicherstellen, dass sie möglichst wenig Stress haben." Mit homöopathischen Mitteln bereitet Tobias sie auf Betäubung und Eingriff vor. "Zudem enthorne ich jeweils bei abnehmendem Mond – dann funktioniert die Wundheilung besser." Die Schneiters setzen grundsätzlich auf Alternativmedizin. Zwar dürfen auch sie als Biobetrieb Antibiotika einsetzen, wenn ein Tierarzt diese verschreibt. Tobias: "Bei uns kommen Antibiotika aber nur infrage, wenn es um Leben und Tod geht."
Kälber machen sich Euter kaputt.
So natürlich wie möglich wollen Esther und Tobias ihren Hof führen. Bei der Kälberhaltung gehen sie allerdings einen Kompromiss ein. Genauer: bei den weiblichen Kälbern. "Die 'Buebli' gehen mit drei Wochen ohnehin in die Mast", erklärt Tobias. Die Weibchen halten die Schneiters nach der Geburt bis zu zwei Wochen zusammen mit der Mutterkuh. Eigentlich möchten Esther und Tobias die Kälber länger bei der Mutter lassen – insbesondere als frischgebackene Eltern. Im Juli 2021 kam Sohn Lario Samuel zur Welt. Esther: "Jetzt fällt es uns noch schwerer, Kälber und Kühe zu trennen." Die muttergebundene Kälberaufzucht – seit 2020 in der Schweiz erlaubt – hat aber ihre Nachteile: "Zum Beispiel besaugen sich die Kälber nach dem Absetzen aus Gewohnheit gegenseitig; das beschädigt ihre Euter."
"Kühe müssen zahm und sauber sein."
Als Zuchtbetrieb ist die Riverfarm darauf angewiesen, dass die Kälber zu gesunden Milchkühen heranwachsen. Pro Jahr verkaufen Tobias und Esther 15 bis 20 Kühe an andere Biobetriebe. "Dabei achten wir stark darauf, dass die Kühe zahm sind", erklärt Tobias. "Ein grosser Milchbetrieb hat keine Zeit, neue Tiere zu zähmen." Wie Kühe zahm werden? "Durch Zuneigung, streicheln und putzen, wenn sie staubig sind, damit sie sich wohlfühlen." Dreckige Kühe sind für die Schneiters ohnehin ein No-Go. Auf der Riverfarm wird jeder Kuhschwanz deshalb täglich gewaschen. Dies brachte dem Paar auf der gemeinsamen Australienreisen vor ein paar Jahren den Spott eines Berufskollegen ein: "Eure Kuhschwänze sind ja sauberer als die Teelöffel in unseren Restaurants!", habe der gesagt.
Traditionelle Exoten
So typisch schweizerisch die Schneiters in dieser Hinsicht sind; im Dorf gelten sie ein wenig als exotisch. "Ein Stall mit nur drei Aussenwänden – das können nicht alle nachvollziehen", sagen die beiden lachend. Auch, dass Esther gerne mal in Flipflops Traktor fährt, während Tobias mit Baby Lario im Tragetuch Wäsche aufhängt, fällt auf. Dennoch: Die Schneiters sind in Fahrni bei Thun bestens integriert. Zum Beispiel sind sie regelmässig an den dortigen Viehschauen anzutreffen. "Tradition ist uns eben auch wichtig."
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