Bewegung bringt Ruhe in die Herde.
Bewegung bringt Ruhe in die Herde.
Hofgeschichten
Heute sind wir zu Besuch auf dem Tanner-Schwarz-Hof. Die Bauernfamilie aus Steffisburg bewirtschaftet den Hof nach den Richtlinien von IP-Suisse. Erfahre mehr zum Label IP-Suisse.
Schützendes Dach
Dunkle Wolken türmen sich über dem Niesen. Wenig später ist der Thuner Hausberg nicht mehr zu sehen. Ein Gewitter zieht auf. Es donnert und die ersten Regentropfen klatschen auf das Stalldach. Die Kühe sind bereits am Schermen. An heissen Sommertagen bleiben sie gerne im kühlen Stall. "Ab 25 Grad ist es den Tieren im Schatten wohler", sagt Andrea Tanner. Gemeinsam mit ihrer Familie bewirtschaftet die 39-Jährige den Mischbetrieb in Steffisburg in der fünften Generation.
Besonders tierfreundlich
Vor drei Jahren hat die Familie einen neuen Stall gebaut. Seither haben die 35 Kühe mehr Bewegungsfreiheit, wenn sie nicht draussen auf der acht Hektar grossen Weide grasen. Die Bauernfamilie hat den alten Anbindestall durch einen geräumigen Laufstall ersetzt. Die neue Behausung erfüllt die Anforderungen des Tierwohlprogramms BTS und ist gemäss den Auflagen des Bundes ein "besonders tierfreundliches Stallsystem". Die Kühe können sich frei bewegen, haben eingestreute Liegeplätze zur Auswahl und sind dank der offenen Bauweise an der frischen Luft.
Stärkere Gruppendynamik
Mit ihrer Entscheidung liegt die Bauernfamilie im Trend. Mehr als die Hälfte der Schweizer Milchbäuerinnen und -bauern setzt bereits auf BTS. "Jedes Stallsystem hat seine Vor- und Nachteile, aber wir haben mit dem Laufstall gute Erfahrungen gemacht", erzählt Andrea Tanner. "Die Tiere sind fitter und beim Weidegang deutlich ruhiger. Dafür ist die Hierarchie im Stall ausgeprägter." Tanner schaut, dass auch die rangtieferen Kühe zu ihrem Recht kommen.
Eine Frage des Charakters
Die 11-jährige Leitkuh Flavia hat in der Herde das Sagen. "Sie ist etwas eigensinnig, aber gutmütig", bemerkt die Landwirtin. Ihr Sohn hilft bereits regelmässig beim Melken und auch die beiden jüngeren Töchter sind gerne nahe bei den Tieren. "Deshalb ist es mir wichtig, dass unsere Kühe umgänglich sind", betont Tanner. Neben funktionalen Kriterien wie Milchleistung und Robustheit spielt bei der Auswahl der Tiere für die Zucht deshalb auch der Charakter eine zentrale Rolle.
Stolz auf "Miss Steffisburg"
Die vielen Plaketten zeigen es: Die Familie Tanner-Schwarz züchtet mit Erfolg. "Miss Steffisburg", "Miss Schöneuter", "Miss Lebensleistung" und andere Auszeichnungen prangen an der Fassade des über 300 Jahre alten Bauernhauses. "Wir freuen uns über die Titel, aber wir sind keine verbissenen Züchter", sagt Andrea Tanner. Die Rassen Holsteiner und Redholsteiner halten sich in der Herde die Waage. Hörner haben die Tiere keine mehr, seit eine Kuh am Euter verletzt wurde. Nach dem Unfall will man nichts mehr riskieren, zumal die Verletzungsgefahr im Laufstall noch grösser wäre.
Melkprozess verbessert
Der neue Stall ist Marke Eigenbau. Andrea Tanners Mann Kurt, der den Betrieb leitet, ist gelernter Zimmermann. Bei der Planung des Neubaus standen logistische Fragen im Mittelpunkt: "Das Melken und Füttern im alten Stall war ineffizient. Wir waren fast den ganzen Vormittag damit beschäftigt", sagt Andrea Tanner. Heute geht alles schneller. Ein Schleusensystem führt die Kühe vom Laufstall in den Melkstall mit den vier Melkmaschinen. Die Familie hat auch über die Anschaffung eines Melkroboters diskutiert, kam jedoch zur Einsicht, dass sich dies bei der relativ kleinen Herde nicht rechnet. Die Landwirtin hätte den Job auch nur ungern einem Roboter überlassen: "Wenn man sich täglich zum Melken neben die Kühe setzt, merkt man auch besser, wie es ihnen geht."
Das Wichtigste ist, dass man die Tiere genau beobachtet.
Beliebter Hofladen
Rund 500 Liter produzieren die 35 Milchkühe täglich. Drei Viertel davon gehen in die Industrie, den Rest verkauft die Familie im Hofladen. Die Coronakrise brachte dem Geschäft neue Kundschaft, weil viele die Grossverteiler mieden. Immer wieder eilen an diesem Nachmittag Kunden durch den strömenden Regen zum Laden. Das Angebot trifft den Zeitgeist, wie Andrea Tanner feststellt: "Keine 100 Meter bis zum Konsumenten – das spricht die Leute an." Auf dem 18 Hektar grossen Ackerland wachsen Kartoffeln, Getreide, Raps, Gemüse, Beeren und Früchte. Auch das gesamte Grundfutter für die Tiere stammt vom eigenen Hof. Produziert wird nach den Richtlinien von IP-Suisse.
Was macht gute Milch aus?
Andrea Tanner offeriert einen Milchkaffee und erklärt, was gute Milch ausmacht. Als ausgebildete Milchtechnologin und Herrin über den Milchraum des Hofs kennt sie die Kriterien der Industrie genau: Eine tiefe Keimzahl stellt die Hygiene sicher, die Zellzahl erlaubt Rückschlüsse auf die Tiergesundheit und ein negativer Hemmstoffwert schliesst die Verwendung von Antibiotika aus. Ein Gefrierpunkt unter null garantiert zudem, dass die Milch nicht gestreckt wurde.
"Chügele" für das Tierwohl
Nicht messbar ist das Wohlbefinden der Kühe. "Das Wichtigste ist, dass man die Tiere genau beobachtet", sagt Andrea Tanner. Um die Gesundheit der Kühe zu fördern, setzt die Landwirtin auf Alternativmedizin. Sie hat eine Weiterbildung in Homöopathie absolviert und sammelt nun Erfahrungen damit. Das "Chügele" habe sich vor allem rund um die Geburt bewährt, erzählt sie. Die Aussicht auf die Bergkulisse des Berner Oberlands tut ihr Übriges für das Tierwohl. Das Gewitter hat sich verzogen und der Niesen leuchtet in der Abendsonne.
Der Speiseplan einer Milchkuh
Strenge Gesetze zum Wohl unserer Kühe