Tradition und Vielfalt: Was Alpkäse so besonders macht.

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Gschicht vo hie

Tradition und Vielfalt: Was Alpkäse so besonders macht.

Wann ein Alpkäse ein Alpkäse ist, woher die grosse geschmackliche Vielfalt kommt und warum das Gold der Alpen schon im 15. Jahrhundert ein Exportschlager war, erfahrt ihr in der Story und im Podcast.

Am besten in den Bergen

Ich bin Exil-Berner-Oberländerin. Und vielleicht ein bisschen lokalpatriotisch, wenn es um Alpkäse geht. Darum eines vorweg: Den besten Alpkäse der Welt gibts in Habkern. Das ist zwar nicht einwandfrei belegbar, aber, wenn man mich fragt, trotzdem 100 Prozent wahr.

Auf jeden Fall unbestritten ist, dass Alpkäse immer dort am feinsten ist, wo er hergestellt wird: in den Bergen. Wer sich durch die verschiedenen regionalen Spezialitäten probieren will, kombiniert das also am besten mit einem Ausflug. Hier kommen 7 spannende Alpkäsefakten – und ein paar Tipps, wo man seinen Gluscht in malerischer Umgebung stillen kann.

1. Wann ist ein Alpkäse ein Alpkäse?

Dramatische Berglandschaften. Kühe, die den ganzen Sommer über auf Alpweiden grasen. Ein Senn, der zum Rechten schaut. Und frische Milch, die direkt in der urigen Alphütte zu Käse veredelt wird. Wer beim Wort "Alpkäse" diese idyllische Szenerie vor Augen hat ... hat absolut recht! Denn damit ein Käse Alpkäse heissen darf, müssen Milchproduktion und Käseherstellung ausschliesslich auf der Alp erfolgen.

Für einen Alpkäse mit geschützter Ursprungsbezeichnung (AOP) sind die Regeln sogar noch strenger. Je nach Sorte gibt es Vorgaben zum Futter der Kühe, zur Lagerung der Milch und zur Verarbeitung. Zum Beispiel: L’Etivaz, der erste Alpkäse, der das AOP-Siegel erhielt, darf nur im Kupferkessi über dem offenen Holzfeuer hergestellt werden.

Live dabei sein

In vielen Alpkäsereien kann man den Sennerinnen und Sennen beim Käsen über die Schulter schauen – zum Beispiel auch im Waadtländer Pays d’Enhaut, wo der Etivaz herkommt. Weitere Informationen gibt es hier.

2. Kein Alpkäse ist wie der andere.

In der Schweiz wird auf rund 1350 Alpen Käse produziert. Auch wenn für die Herstellung einzig Milch, Milchsäurebakterien und Lab eingesetzt werden, ist kein Alpkäse wie der andere. Die unterschiedlichen Futterpflanzen, regionale Verarbeitungstraditionen sowie die Veredelung mit Gewürzen und Kräutern sorgen für geschmackliche Vielfalt.

Auch die Reifedauer ist nicht überall gleich: Es gibt halbharten Alpkäse, zum Beispiel aus dem Wallis oder dem Kanton Freiburg. Er reift rund drei Monate, schmilzt schön und eignet sich daher gut für Raclette oder Fondue. Am anderen Ende des Spektrums liegt der Berner Hobelkäse AOP: Er kommt frühestens nach anderthalb Jahren auf den Teller.

UMWELT

Darum ist Alpkäse so fein – die Schweiz ist ein Grasland.

Aus Gras wird Genuss.

Aus Gras wird Genuss.

3. Ausgeklügelte Alpkäse-Arithmetik

Wenn mehrere Bäuerinnen oder Bauern ihre Tiere auf der gleichen Alp sömmern, stellt sich irgendwann die Frage: Wem steht eigentlich wie viel Käse zu? Im Justistal im Berner Oberland gibt es eine fast 300 Jahre alte Tradition, die genau diese Frage klärt: die "Chästeilet".

Während des Sommers wird die Milchleistung jeder Kuh regelmässig gemessen und auf die ganze Alpsaison hochgerechnet – sodass Ende Sommer belegt ist, wessen Kühe mit wie viel Milchmenge beigetragen haben. Gemessen wird in "Säumen": 200 Liter Milch entsprechen einem Saum.

Im Herbst treffen sich alle Kuhbesitzer*innen (und viele Schaulustige!) am Spycherberg oberhalb von Sigriswil. Der über den Sommer produzierte Käse wird sorgfältig zu Stapeln aufgeschichtet. Je nach Gewicht besteht ein Stapel aus sechs bis acht Laiben. Jetzt wird abgerechnet: Eine Bäuerin bzw. ein Bauer, dessen Tiere vier Säume (also 800 Liter Milch) geliefert haben, hat Anspruch auf einen ganzen Stapel, zwei Säume entsprechen einem halben Stapel und so weiter. Weil bei einem Naturprodukt wie Alpkäse nicht jeder Stapel genau gleich ist, entscheidet das Los, wer welchen Stapel erhält – Fairness muss schliesslich sein.

Lebendige Tradition

An der "Chästeilet" im Justistal treffen sich nicht nur Bäuerinnen und Bauern, sondern auch Dorfleute, Feriengäste und Ausflügler*innen und feiern gemeinsam das Ende des Alpsommers. Die nächste "Chästeilet" findet am 22. September 2023 statt. Weitere Informationen.

4. Auch Alpkäse hat Saison.

Weil die Alpen nur im Sommer bewirtschaftet werden, wird auch nur im Sommer Alpkäse hergestellt. Hartkäse, der lange gelagert werden kann, findet man oft ganzjährig im Laden. Für andere Alpkäsesorten gilt das nicht.

September bis Dezember ist die beste Zeit für Alpkäse. Wer auf Nummer sicher gehen will, wartet aber nicht, bis der Käse beim Grossverteiler ankommt. Denn mehr als die Hälfte des Schweizer Alpkäses wird direkt verkauft – in Hofläden, über Onlineshops oder von Privatpersonen.

5. Alpkäse on the road

Von den jährlich gut 200'000 Tonnen Schweizer Käse werden heute rund 40 Prozent exportiert. Das ist aber kein neues Phänomen. Alpkäse aus der Innerschweiz war schon im 15. Jahrhundert ein Exportschlager. Er wurde zum Beispiel auf Märkten in Norditalien angeboten und gegen Wein, Mais, Reis oder Gewürze eingetauscht.

Um die Käselaibe schnell und effizient über die Alpen zu transportieren, wurden Säumer und Saumtiere eingesetzt. Sie waren auf der sogenannten Sbrinz-Route unterwegs: der kürzesten alpenquerenden Verbindung zwischen der Innerschweiz und Italien. Der Pfad ist nur zu Fuss begehbar und führt vom Vierwaldstättersee über Joch- oder Brünigpass, Grimsel- und Griesspass ins italienische Val Formazza und weiter bis Domodossola.

Unterwegs wie anno dazumal

Die Sbrinz-Route von damals ist heute als "ViaSbrinz" ein ausgeschilderter Fernwanderweg, der in fünf Etappen von Stansstaad nach Ponte in Italien führt. Mehrmals pro Jahr finden geführte Wanderwochen statt – einmal pro Jahr mit historischen Kostümen, Saumtieren und Säumerfesten in den Etappenorten. Mehr Informationen gibt es hier.

Unser Praktikant Sandro hatte sich für unsere Webserie "Lifere, ned lafere" an der Herstellung von Käse versucht.

6. Wie Alpkäse frisch bleibt.

Die Lagerung spielt beim Alpkäse nicht nur während der Reifung eine Rolle. Wer mit einem Rucksack voller Käse von der Wanderung nach Hause kommt, will natürlich wissen, wie das sprichwörtliche Gold der Alpen möglichst lange haltbar bleibt.

Ein ganzer Käselaib bleibt kühl, dunkel und bei guter Luftfeuchtigkeit gelagert über mehrere Monate frisch. Einzelne Käsestücke behalten ihre Qualität am besten, wenn sie eingeschweisst und im Kühlschrank aufbewahrt werden. Dort gehört auch angeschnittener Käse hin – am besten in Frischhaltefolie verpackt. So hält er sich vier bis sieben Wochen.

Sieben auf einen Streich

Wer seine Wanderung mit dem Einkauf für das nächste Apéroplättli kombinieren will, hat in der Region Engelberg Gelegenheit dazu. Der Alpkäsetrail verbindet sieben Alpkäsereien mit Wander- und Bike-Routen. Weitere Informationen.

7. Und welcher Alpkäse ist nun wirklich der beste?

Jährlich werden an der St. Galler Olma die besten Alpkäse verschiedener Kategorien prämiert. Der Preis für den besten Halbhartkäse ging im vergangenen Jahr ins Bündnerland. Der beste Hartkäse stammte aus der Region Greyerz. Und der beste Hobelkäse aus dem Berner Oberland. (Zwar nicht aus Habkern, aber immerhin.)