Molki, Metzg und Hotel zugleich: Alleskönner Bauernhof
Molki, Metzg und Hotel zugleich: Alleskönner Bauernhof
Aus Milch wird Quark.
Heute ist Quarktag. Walter Langenegger steht im weiss gekachelten Arbeitsraum, schlüpft in seine weissen Gummistiefel, den weissen Arbeitskittel und setzt sich eine Kappe auf – die natürlich auch weiss ist. Die Milch seiner 16 Kühe hat schon zwölf Stunden im Wärmeschrank verbracht und ist nach Zugabe von Sauermilch zu einer Masse geronnen. Nach nochmals zwölf Stunden im Kühlschrank giesst der Landwirt sie nun schwungvoll in mit Gazetuch ausgekleidete Metallbehälter, wo sie abtropft. In rund zwölf Stunden wird daraus Quark.
Ich fülle etwa 40 bis 50 Gläser Quark pro Woche ab.
40 bis 50 Gläser pro Woche
"Ich fülle etwa 40 bis 50 Gläser pro Woche ab", sagt Walter. Den Quark sowie ebenfalls selbst gemachtes Joghurt verkauft der 53-jährige Landwirt zweimal pro Woche direkt an eine Reihe von Abnehmern in der Umgebung – an Restaurants, Heime und Unverpackt-Läden zum Beispiel. Und im Regal des eigenen Hofladens im appenzellischen Gais dürfen die Spezialitäten natürlich auch nicht fehlen.
Quark selber machen – so gehts.
- 25h50min
- Vegetarisch
Lieferung für das "Hof-Reformhaus"
Der Hofladen ist das Reich von Dina Langenegger. Wobei man eigentlich schon fast von einem "Hof-Reformhaus" sprechen müsste. Seit 25 Jahren ist das Sortiment stetig gewachsen. Heute verkauft Dina neben Milchprodukten und Fleisch aus der eigenen Produktion auch Früchte, Gemüse, Wein, Gewürze, Tees, Trockenwaren und Kosmetika. Einiges wird der Vielfältigkeit halber importiert, vieles stammt aus der Schweiz – ein Teil des Gemüses sogar vom eigenen Gemüsefeld, das von Freunden bewirtschaftet wird. Gerade ist der Lastwagen mit einer Lieferung Bioprodukte vorgefahren – nachdem er rückwärts durch die enge Hofzufahrt gezirkelt ist. Dina, Walter und Verkäuferin Margrit tragen Kistchen mit Schweizer Wirzköpfen und Radieslibündel, mit spanischen Orangen und Avocados in den Laden.
Der Laden – eine spontane Idee
Während sie Etiketten beschriftet, Preise auf Produkte klebt und alles in die Regale räumt, erzählt Dina von den Anfängen des Ladens. "Das war früher eine Wohnung. Als sie frei wurde, haben wir uns überlegt, was wir damit machen wollen." Die Idee zum Hofladen kam dann recht spontan. "Ich war im sechsten Monat schwanger mit dem 3. Kind!", sagt sie lachend. Anfangs seien die Umstände recht chaotisch gewesen: "Ich hatte keinen Plan, wie viel ich wovon bestellen soll." Das hat sich seither natürlich geändert.
Wir probieren alles, was wir verkaufen. Nur so können wir der Kundschaft Tipps für Rezepte geben.
Service statt Preiskampf
Dass man heute praktisch seinen ganzen Wocheneinkauf bei den Langeneggers erledigen kann, ist auch den Kundinnen und Kunden zu verdanken. Sie geben Rückmeldung, was ihnen schmeckt – und wie sie das Sortiment erweitern würden. Umgekehrt steht ihnen das Ladenteam mit Rat und Tat zur Seite. "Wir probieren alles, was wir verkaufen. Nur so können wir der Kundschaft Tipps für Rezepte geben. Im Grossverteiler erhält man diesen Service natürlich nicht", sagt Dina. Frisch, nah und persönlich – diese Vorteile nutzen sie und ihr Team aus. Denn preislich, so gibt Dina freimütig zu, könne man mit dem Supermarkt nicht mithalten.
Vielseitige Landwirtschaft
Ein Blick in die Statistik zeigt: Landwirtschaftsbetriebe werden immer vielseitiger und bauen vermehrt auf verschiedene Standbeine. 2010 setzten beispielsweise erst zwölf Prozent der Betriebe auf Direktvermarktung via Marktstände oder Hofläden. Innerhalb von zehn Jahren hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Der geschätzte Produktionswert von Nebentätigkeiten und Dienstleistungen liegt bei rund 1,6 Milliarden Franken. Das sind knapp 14 Prozent des gesamten Produktionswerts der Landwirtschaft.
Wunsch und Notwendigkeit
Nicht alle Eier in einen Korb zu legen, zu diversifizieren und Neues auszuprobieren: Das ist auf dem Hof Bommes Wunsch und Notwendigkeit zugleich. "Denn nur mit Milchwirtschaft allein kann ich den Lebensunterhalt der Familie nicht bestreiten", erklärt Walter. Dazu sei der Hof zu klein. Hinzu kommen persönliche Bedürfnisse: "Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe mir eigentlich geschworen, später anders zu leben", sagt Dina. Als sie und ihr Mann den Hof dann recht unerwartet von seinen Eltern übernehmen mussten, stellte sich die heute 51-Jährige die Frage, unter welchen Bedingungen das für sie trotzdem funktionieren könnte. "Für mich war klar: Ich will meinen eigenen Bereich."
Ferien auf dem Bauernhof
So teilt das Ehepaar die Aufgaben auf: Während Walter am liebsten zum Vieh schaut und sich um die Milchverarbeitung kümmert, schätzt Dina den Kontakt mit den Leuten. Diese Leidenschaft lebt sie im Laden aus, aber auch im Umgang mit Gästen. Womit wir beim nächsten Standbein von Familie Langenegger wären: dem Tourismus. Im Dachgeschoss des imposanten Appenzeller Bauernhauses ist eine Ferienwohnung für bis zu sechs Personen eingerichtet. Und sie ist beliebt: "Viele buchen gleich wieder fürs nächste Jahr, sobald die Ferien bei uns vorbei sind", sagt Dina.
Auszeit im "Vogelnest"
Ferien gibt es nicht nur im Bauernhaus. Ein paar Meter vom Hof entfernt schlängelt sich der Rotbach durch die Wiesen. Gleich daneben, das Plätschern deutlich hörbar, liegt das "Vogelnest". Walter und Dina haben einen ehemaligen Bauwagen zum Tiny House umgebaut. "Ursprünglich wollte ich mit dem Vogelnest einen Ort schaffen, wo Frauen eine Auszeit von der Familie nehmen können", erklärt Dina, ebenfalls dreifache Mutter. Mittlerweile wird das Mini-Feriendomizil aber für alle möglichen Zwecke genutzt. "Natürlich für ein romantisches Wochenende zu zweit. Aber hier wurden auch schon Musikstücke komponiert oder Abschlussarbeiten geschrieben."
Sich nicht "überlüpfe"
So wichtig die verschiedenen Betätigungsfelder für die Langeneggers sind – Walter sieht auch eine Gefahr: dass sie sich "überlüpfe", sich zu viel zumuten. Den Partyraum auf dem Hof vermieten sie deswegen nur noch sporadisch. Freilandschweine halten sie nur sporadisch, Pensionsstallplätze für Pferdebesitzer:innen bieten sie nicht mehr an. Aber Walter und Dina wären nicht die Allrounder, die sie eben sind, wenn sie den Stall nicht für ein weiteres Projekt nutzen würden. Dort, wo früher die Pferde gegrast haben, stapfen nun Hochlandrinder über die Weide. Sobald sie schlachtreif sind, werden sie zu Wurst, Geschnetzeltem und Steaks verarbeitet. Kaufen kann man die Fleischwaren, natürlich, im hofeigenen Laden.
Vielseitigkeit hat Tradition
Mehr als ein Standbein zu haben – auf dem Hof Bommes hat das gewissermassen Tradition. Wer in der Ostschweiz aufgewachsen ist, kennt bestimmt "Tigerli kommt heim" oder "Flöckli, das Geisslein" – zwei Kinderbücher im Bauernmalereistil. Geschrieben und gezeichnet hat sie Lilly Langenegger, Walters Mutter. Mit ihrer Kunst hat sie früher ihren Teil zum Hofeinkommen beigetragen. Wer genau hinschaut, erkennt in den Zeichnungen sogar den Hof Bommes, den Familie Langenegger nach wie vor bewirtschaftet.