Kuh und Klima: wie Milch nachhaltiger wird
Kuh und Klima: wie Milch nachhaltiger wird
Hitzestress für Fiona und Co.
Kühe mögen es kühl. Zwischen 0 und 10-15 Grad Celsius ist es ihnen am wohlsten. Grosse Hitze, wie während des vergangenen Sommers, sorgt bei Bella, Étoile, Fiona und Co. schnell für Stress. Die Folgen: Sie fressen weniger, geben weniger Milch und sind weniger fruchtbar.
Wenn die globale Erwärmung weiterhin ungebremst voranschreitet, dürften Hitzewellen und andere extreme Wetterereignisse zur Normalität werden. Das möchten Landwirtinnen und Landwirte natürlich verhindern, indem sie ihren Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft und zur Verlangsamung des Klimawandels leisten.
Landwirtschaft und Klima
Landwirtschaft und Klima beeinflussen sich gegenseitig. Zum einen sind da die Emissionen: Während der Verdauung setzen Kühe Methan frei – ein Gas, das zum Treibhauseffekt beiträgt. Zudem enthalten ihre Ausscheidungen klimawirksame Stickstoffverbindungen wie Lachgas. Und viele Bauernhöfe nutzen nach wie vor fossile Brennstoffe, sei es zum Heizen von Gebäuden oder für den Antrieb von Maschinen.
Böden als CO2-Speicher
Zum anderen hat die Landwirtschaft auch positive Effekte auf Klima und Umwelt: Weidende Kühe schützen das offene Grasland vor dem Verganden. Damit erhalten sie nicht nur ein abwechslungsreiches Landschaftsbild, sondern fördern auch Biodiversität und Artenvielfalt. Und anders als viele andere Wirtschaftszweige trägt die Landwirtschaft eben auch zur Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre bei. Denn die Böden, die sie bewirtschaftet, dienen als CO2-Speicher. Entscheidend ist: In welchem Verhältnis stehen Emission und Speicherung?
Einzelne Betriebe speichern schon jetzt mehr CO2, als sie ausstossen.
1. Pilotprojekt im Kanton Waadt
Das Verhältnis von Emission und Speicherung hat die landwirtschaftliche Beratungsstelle Proconseil im Rahmen eines Pilotprojekts im Kanton Waadt untersucht. Das Ziel: den Klima-Fussabdruck von Bauernhöfen so genau wie möglich berechnen. Dafür wurden die Treibhausgas-Emissionen von 20 Pilotbetrieben ermittelt. Parallel dazu entwickelten Forscherinnen und Forscher eine neue Methode, um das Speicherpotenzial landwirtschaftlicher Böden zu messen. Der Vergleich der beiden Werte zeigt ein erfreuliches Resultat: "Einzelne Betriebe speichern schon jetzt mehr CO2, als sie ausstossen", sagt Aude Jarabo, die projektverantwortliche Agronomin.
Wie kommt CO2 in den Boden?
Pflanzen betreiben Photosynthese, um zu wachsen. Sie nehmen CO2 aus der Luft auf und wandeln es mithilfe von Wasser und Sonnenlicht in organische Stoffe um, zum Beispiel in Kohlenhydrate. Wenn die Pflanze stirbt, übernehmen Bodentiere und Mikroorganismen: Sie zersetzen die organischen Überreste. So gelangt Kohlenstoff in den Boden und bleibt dort als Humus gespeichert.
Andere Betriebe können ihr Speicherpotenzial noch verbessern, indem sie dem Boden entweder organisches Material zuführen oder den Abbau von bestehender Substanz vermeiden. Mögliche Hebel sind eine schonendere Bodenbearbeitung, mehr Bodenbedeckung und eine höhere Zufuhr von organischem Dünger wie Gülle oder Mist. "So muss auch weniger Kunstdünger eingesetzt werden. Emissionen bei dessen Herstellung und beim Ausbringen werden so vermieden", erklärt Aude Jarabo.
2. Projekt KlimaStaR Milch
Mehr Kohlenstoff im Boden speichern: Das ist die eine Möglichkeit für Landwirtinnen und Landwirte, um ihren Klima-Fussabdruck zu verbessern. Die andere: Emissionen reduzieren. Hier setzt das Projekt KlimaStaR Milch an, bei dem gut 230 Betriebe in der Deutschschweiz mitmachen. Bis 2027 wollen sie den Ausstoss von Treibhausgasen pro Kilogramm Milch um 20 Prozent verringern. "Das ist ein ambitioniertes Ziel", sagt André Bernet von der Genossenschaft Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP.
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Ökostrom nutzen, Solarzellen installieren, Gülle in der Biogasanlage weiterverwerten, den Methanausstoss der Kühe mit Futterzusätzen verringern, ihre Nutzungsdauer verlängern – das sind nur ein paar Möglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Die Betriebe entscheiden selber, welche sie umsetzen wollen. Was allerdings nicht geht: Die Emissionen pro Kilogramm Milch senken, indem die Leistung der Kühe mit Kraftfutter gesteigert wird.
Keine Flächenkonkurrenz
Denn das Projekt KlimaStaR Milch will auch die Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz reduzieren. Will heissen: Kühe sollen kein (Kraft-)Futter erhalten, das auch der Mensch verwerten könnte. Und für den Futteranbau sollen keine Flächen genutzt werden, die für menschliche Nahrung geeignet wären. "Die Bauernbetriebe sind also gleich dreifach gefordert", so André Bernet.
Landwirtinnen und Landwirte erleben die Veränderungen durch die globale Erwärmung hautnah mit.
Wie Landwirte zu Energiewirten werden, erfährst du hier:
KlimaStaR Milch: erste Resultate
KlimaStaR Milch ist 2022 gestartet. Innerhalb eines Jahres haben die teilnehmenden Betriebe die Nahrungsmittelkonkurrenz um 9 Prozent und den Ausstoss von Treibhausgasen pro Kilogramm Milch um 0,8 Prozent reduziert. Die ersten Resultate sind allerdings sehr heterogen: Während Bio- und Berglandwirtschaftsbetriebe vor allem bei der Nahrungsmittelkonkurrenz gute Werte erzielten, haben konventionelle Betriebe im Tal bei der Emissionsreduktion die Nase vorn.
Grosses Interesse an Klimaprojekten
Trotz Aufwand und ambitionierten Zielen: Aude Jarabo und André Bernet sind sich einig, dass das Interesse der Landwirtschaft an Klimaprojekten sehr gross ist. "Landwirtinnen und Landwirte arbeiten tagtäglich mit der Natur. Sie erleben die Veränderungen durch die globale Erwärmung hautnah mit", sagt André Bernet. Und Aude Jarabo ergänzt: "Da ist es nur logisch, dass sie wissen wollen, wo sie punkto Klima-Fussabdruck stehen. Und welche Verbesserungshebel sie einsetzen könnten."
Interesse für nachhaltige Produkte
Das ist nicht zuletzt auch eine ökonomische Frage. Verarbeitungsbetriebe sowie Konsumentinnen und Konsumenten interessieren sich je länger, je mehr für die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produkte. Wer diese Nachfrage bedienen kann, ist für die Zukunft besser gerüstet.