"Das Kreieren eines Musters braucht am meisten Zeit."
"Das Kreieren eines Musters braucht am meisten Zeit."
Dario Pieber: zur Person
Unser Interviewpartner Dario Pieber ist Schweizer Latte-Art-Champion und erfolgreicher Unternehmer. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Ernst Kneubühler betreibt er den Coffee Shop "Rent a Barista" und eine eigene Rösterei. Dario ist gelernter Milchtechnologe sowie Konditor-Confiseur und profitiert auch als Barista von diesen Ausbildungen.
Dario, du hast an den letzten Latte-Art-Weltmeisterschaften in Taiwan teilgenommen, aber nicht gewonnen. Was ist passiert?
Tatsächlich lief es ziemlich gut und ich habe mich sehr wohlgefühlt. Natürlich war ich etwas nervös, aber das ist normal. Eine Herausforderung war die kurze Zeit von nur fünf Minuten, um meinen Stand einzurichten, die Milch vorzubereiten und die Kaffeemühle korrekt einzustellen. Alles musste zudem sehr sauber sein. Leider lief der Espresso trotz feinerer Mahlgradeinstellung zu schnell durch, was unter die Mindestdurchlaufzeit von 20 Sekunden fiel und somit keine Punkte brachte. Genau das hat mich den Einzug ins Finale gekostet.
Schade. Aber nun von vorne. Du bist gelernter Milchtechnologe und nun erfolgreicher Barista. Warum dieser Werdegang?
Meine Ausbildung als Milchtechnologe war sehr spannend und ich wollte mich während dieser Zeit auf die Berufsmatura vorbereiten mit dem Ziel, später Lebensmitteltechnologie zu studieren. Um meinen Lebensunterhalt während der Berufsmatura zu verdienen, habe ich zum Beispiel auf dem Solothurner Wochenmarkt und anderen Events Kaffee zubereitet. Das hat meine Leidenschaft für Kaffee geweckt, ich habe ein lukratives Jobangebot als Barista-Trainer bekommen – und meine Studienpläne aufgegeben.
Wie beeinflusst dein Hintergrund als Milchtechnologe deine Arbeit mit Latte Art?
Mein Wissen als Milchtechnologe ist äusserst wertvoll, insbesondere im Umgang mit Lebensmitteln. Aktuell entwickeln wir in Zusammenarbeit mit der Molkerei Hirzel eine eigene Milch, die besonders cremig ist, geschmacklich einzigartig und sich hervorragend für Latte Art eignet. Wir experimentieren mit der Technik der Freeze Distilled Milk, um ein Konzentrat mit höherem Zucker- und Fettgehalt zu erhalten, fast wie geschmolzene Glace.
Freeze Distilled Milk?
Man friert einen Beutel ein und kehrt ihn um, damit er in ein anderes Gefäss fliessen kann. Im Kühlschrank lässt man ihn auftauen, bis man einen halben Liter erhält. Das Wasser bleibt so gefroren in der Verpackung und man erhält ein Konzentrat. Das Konzentrat rührt man dann wieder mit normaler Milch an. So hat man mehr Zucker und einen höheren Fettgehalt. Da kann mit dem Verhältnis gespielt werden, um die ideale Kombination mit Kaffee herauszufinden.
Wer steht hinter der Idee, eigene Milch zu entwickeln?
Mein Geschäftspartner und ich von "Rent a Barista". Unsere Idee ist es, uns mit einer einzigartigen Milch von anderen abzuheben. Die Hirzel Milch ist bereits im Raum Zürich bekannt, und wir möchten einen Schritt weitergehen. Natürlich in der Hoffnung, dass dann unsere Milch verwendet wird, wenn es darum geht, guten Kaffee zu machen.
Ohne Sujets keine Latte Art. Wie entstehen deine Sujets und wie viel Übung steckt dahinter?
Das Erstellen eines Musters nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Es muss nicht nur harmonisch in der Tasse wirken, sondern auch optisch überzeugen. Für die Weltmeisterschaften in Kopenhagen in diesem Jahr habe ich vier neue Muster entwickelt, an denen ich täglich von Anfang Dezember bis Mitte Februar gearbeitet habe. Die Umsetzung eines bereits entwickelten Musters geht dann recht schnell.
Entwickelt jeder Barista seine eigenen Sujets?
Viele der führenden Baristas kreieren ihre eigenen Muster. Auch mir ist es wichtig, meine eigene Kreation zu präsentieren, statt auf die Arbeit anderer zurückzugreifen.
Gibt es Muster, die du gerne meistern würdest, aber bisher nicht schaffst?
Mein Ziel ist es, das Gesicht einer Katze nur durch Giessen zu kreieren, ohne nachträglich mit einem Stäbchen Details hinzuzufügen. Das ist mir bisher noch nicht gelungen.
Wie trainierst du eigentlich deine Latte Art, ohne zu viel Kaffee zu trinken?
Um Latte Art zu üben, ohne Milch zu verschwenden, nutzen wir eine seifenähnliche Lösung. Diese Lösung nennt sich BCB: Barista Carl’s Blend. Ein bis zwei Tropfen BCB gemischt mit kaltem Wasser lässt sich so weiterverarbeiten wie Milch. Diese Mischung kann wie Milch aufgeschäumt werden, ist jedoch nicht zum Trinken gedacht. Sie ist besonders nützlich in Kursen, wo viele Kaffees produziert werden, die nicht konsumiert werden.
Und der Kaffee? Wird der nicht auch verschwendet?
In unseren Kursen macht es Sinn, richtigen Kaffee zu nehmen, um die Techniken zu üben. Zu Hause kann stattdessen Kaffeesatz mit BCB gemischt werden, um eine dunklere Flüssigkeit zu erhalten, die den Espresso simuliert.
Du röstest bald auch deinen eigenen Kaffee. Was hat dich dazu bewogen?
Das Rösten ist faszinierend, da man hier den grössten Einfluss auf den Geschmack des Kaffees hat. Es ist sehr befriedigend, einen exzellenten Kaffee zu rösten, und zudem kenne ich die genaue Herkunft meines Kaffees. Diese Transparenz ermöglicht eine direkte Unterstützung der Kaffeeproduzenten und fördert eine persönliche und nachhaltige Partnerschaft.
Hast du Tipps, wie man zu Hause gute Latte Art hinbekommt?
Das würde jetzt wohl den Rahmen sprengen. Aber grundsätzlich kann jeder ein einfaches Herz umsetzen. Zudem gibt es verschiedene Anleitungen, z. B. auf meinem Instagram-Kanal oder bei swissmilk.ch. Wer seine Fähigkeiten wirklich verbessern möchte, sollte einen Kurs besuchen.
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Wie ist eigentlich die Nachfrage nach euren Kursen?
Unsere Kurse sind stets gut besucht. Während der Corona-Zeit haben sich viele eine Kaffeemaschine gekauft, nun wollen sie auch das Erlebnis der Latte Art zu Hause haben.
Noch eine letzte Frage. Was zeichnet einen echten Cappuccino aus?
Was ein echter Cappuccino ist, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich kann aber sagen, was für mich ein Cappuccino ausmacht. Für mich besteht ein Cappuccino aus einem Espresso und aufgeschäumter Milch in einer 180 bis 200 ml grossen Tasse, gekrönt von einer etwa einem Zentimeter dicken Schaumschicht mit Latte Art.
Okay, doch noch eine Frage. Was ist mit dem Schoggipulver?
Schoggipulver verwenden wir nicht, da es die Kunstwerke verdeckt und den feinen Geschmack von Kaffee und cremiger Milch beeinträchtigt. Eine dritte Komponente nebst Milch und Kaffee braucht es bei uns nicht.