Das Gemüse, das aus der Kälte kam

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Gschicht vo hie

Das Gemüse, das aus der Kälte kam

Tomaten und Peperoni im Winter? Ein No-Go, finden heute viele Leute. Sie wollen saisonales Gemüse aus der Region. Landwirt Adi Schlatter baut es an, verkauft es auf dem Markt und zeigt: Wintergemüse ist alles andere als langweilig.

Im Podcast erfährst du mehr zum Anbau & zur Verwendung von Wintergemüse:

Nüsslisalat direkt vom Feld

Gleich hampfelweise legt Adi Schlatter Nüsslisalat auf die Waage. Heute verkaufen sich die grünen Röschen wie verrückt. Die elegante Dame mit Hut und Hund, das junge Pärchen mit geflochtenem Einkaufskorb, der hippe Koch mit Bart: Bei allen steht der Wintersalat auf dem Einkaufszettel. Der Landwirt hinter seiner Markttheke auf dem Zürcher Bürkliplatz weiss warum: "Mein Nüsslisalat hat besonders dicke und knackige Blätter, weil er draussen wächst. Die werden nicht so schnell lampig – auch mit viel Salatsauce nicht."

Ich will meinen Kundinnen und Kunden genau sagen können, was in meinen Produkten steckt.

Adi Schlatter, Landwirt
Adi Schlatter setzt aus Überzeugung auf saisonales Gemüse.

Adi Schlatter setzt aus Überzeugung auf saisonales Gemüse.

Rüebli in allen Regenbogenfarben

Sauce hin oder her, Nüsslisalat ist längst nicht das einzige Saisongemüse, das der Landwirt aus dem Zürcher Unterland an diesem frostigen Februarmorgen verkauft. Auf den Holztischen unter dem gelbweissen Zelt liegt eine bunte Vielfalt: Rüebli in allen Regenbogenfarben, Randen mit und ohne Streifen sowie rote, blaue und gelbe Kartoffeln. Auch Spinat, Sellerie, verschiedene Kohlsorten und Salate haben derzeit Saison. Etwa 95 Prozent des Gemüses stammen von Adi Schlatters Hof in Sünikon, der Rest von Betrieben in seiner Nachbarschaft.

Adi Schlatters Mirmenhof

Adi Schlatter ist Landwirt in dritter Generation. Vor 20 Jahren hat er zusammen mit seiner Frau Manuela den elterlichen Mirmenhof in Sünikon im Zürcher Unterland übernommen. Auf 20 Hektaren baut er neben den etwa 150 Gemüsesorten auch Steinobst, Zuckerrüben, Weizen und Raps an.

mirmenhof.ch

Ein frostiger Februarmorgen auf dem Markt am Bürkliplatz
Ein frostiger Februarmorgen auf dem Markt am Bürkliplatz

Regional und saisonal aus Prinzip

Zweimal pro Woche verkauft Adi Schlatter sein Gemüse hier auf dem Markt. Seit 10 Jahren setzt er dabei konsequent auf Saisonalität und Regionalität – aus verschiedenen Gründen: "Ich will meinen eigenen Weg gehen und mich mit meinem Angebot von anderen abheben", sagt er. Doch es geht um mehr als Konkurrenz und Wettbewerb, es geht um Überzeugung: "Ich will meinen Kundinnen und Kunden genau sagen können, was in meinen Produkten steckt."

 

Rezepte & Kochideen

Unser Saisonkalender zeigt dir, was gerade Saison hat.

Knackiger Nüsslisalat, direkt vom Feld
Knackiger Nüsslisalat, direkt vom Feld

Frisch geerntet und aus dem Lager

Viel Arbeit steckt in seinen Produkten, das ist sicher. Auch im Winter. Ein Teil des Gemüses wird nach wie vor frisch geerntet, zum Beispiel Lauch, Federkohl, Winterspinat oder Nüsslisalat. Diese Gemüsearten überleben auch sehr kalte Temperaturen, aber zum Ernten muss das Gemüse frostfrei sein. Dabei hilft eine isolierende Schneeschicht, eine Folie oder ein Vlies. Kartoffeln, Rüebli, Randen und Sellerie wurden bereits im Herbst vor dem ersten Frost geerntet und seither eingelagert. Auch hier geht es aber nicht ohne Arbeit: "Das Lagergemüse müssen wir putzen und rüsten, erst dann kommt es auf den Markt", sagt Adi Schlatter.

Kein Gemüse in Normgrösse

Der Bürkliplatz-Markt ist der wichtigste Absatzkanal für Adi Schlatters Gemüse. Mit dem breiten Sortiment und den vergleichsweise kleinen Mengen kommt ein Verkauf an Grossverteiler nicht infrage. So oder so: "Gemüse in Normgrösse. Das kann ich nicht bieten", sagt er. Seine Kohlköpfe sind mal klein, mal gross. So wie sie eben wachsen. Seine Kundinnen und Kunden störts nicht. Im Gegenteil. "Bei mir finden sowohl Singles als auch Grossfamilien das Richtige."

Kochbuchautorin Nadja Zimmermann zu Besuch am Stand

Kochbuchautorin Nadja Zimmermann zu Besuch am Stand

Innovativ aus Neugier und Notwendigkeit

Nur Import-Gemüse sucht man bei Adi Schlatter vergeblich. Dass es bei ihm im Winter keine Tomaten, Peperoni und Auberginen gibt, begrüsst seine Kundschaft. "Die Leute wollen immer häufiger wissen, woher Produkte stammen, wie sie hergestellt werden, ob sie Saison haben", sagt Adi Schlatter. Wirklich einschränken müssen sie sich dadurch nicht. Denn Adi Schlatter sorgt für Abwechslung. Er probiert immer wieder neue Gemüsesorten aus – nicht nur aus Neugier, sondern auch aus Notwendigkeit. Der Klimawandel sorgt für wärmere Winter und trockenere Sommer. Gemüsebauern müssen das bei der Wahl ihres Angebots berücksichtigen.

Bunte Gemüsevielfalt, auch in der kalten Jahreszeit
Bunte Gemüsevielfalt, auch in der kalten Jahreszeit
Vom Milchbuur

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"Binätsch" mit Zwiebeln und viel Butter

Heute verkauft Adi Schlatter neben Schweizer Wintergemüseklassikern wie Kartoffeln, Lauch und Rüebli auch ein paar "Exoten": Flower Sprout zum Beispiel, eine Kreuzung aus Rosen- und Federkohl. Oder italienischen Palmkohl, Yacon-Wurzel und Süsskartoffeln – Sorten, denen es aufgrund der wärmeren Temperaturen in der Schweiz je länger, je wohler ist. In seinen eigenen Vorlieben ist der Gemüsebauer trotzdem eher traditionell. "Binätsch", also Winterspinat, mag er am liebsten. "Gedünstet, mit Zwiebeln und viel Butter", wie er sagt.